In Belarus versuchen offenbar so viele junge Menschen, sich dem Wehrdienst zu entziehen, dass der Staat gezwungen ist, präventiv tätig zu werden. So werden beispielsweise potenzielle Wehrdienstverweigerer eingeschüchtert, indem öffentliche Gerichtsverhandlungen für diejenigen abgehalten werden, die bereits erwischt wurden. Die Wirksamkeit dieses Ansatzes bleibt ungewiss, aber er erscheint ziemlich düster und erinnert an eine Parodie der öffentlichen Prozesse aus der stalinistischen Ära.
Der Kern der Geschichte ist folgender: Im April 2022 erhielt ein junger belarusischer Mann (heute 23 Jahre alt) im Einberufungsamt des Bezirks Stolin einen Einberufungsbescheid, in dem er aufgefordert wurde, am 19. August 2022 zur Einberufung in die Wehrpflicht zu erscheinen und zu unterschreiben. Mit anderen Worten: Er wurde zu einer ärztlichen Untersuchung vorgeladen und anschließend in die Kaserne eingewiesen.
Der junge Mann wollte jedoch nicht dienen – stattdessen ging er nach Russland. Übrigens machen viele Wehrdienstverweigerer das Gleiche, aber es hilft ihnen überhaupt nicht. Auch dem Bewohner des Bezirks Stolin half es nicht: Er blieb bis November auf dem Gebiet der Russischen Föderation und kehrte dann aus irgendeinem Grund in sein Heimatland zurück, wo er bald von den Strafverfolgungsbehörden aufgegriffen wurde. Die Ermittler freuten sich über die schnelle Ergreifung eines so „berüchtigten“ Kriminellen und klagten ihn an, sich der Wehrpflicht zu entziehen (Artikel 435 Teil 1 des Strafgesetzbuches von Belarus). Der Fall wurde von der Staatsanwaltschaft der Region Brest bearbeitet.
Es wurde beschlossen, die Gerichtsverhandlung mobil und demonstrativ zu gestalten: Sie fand im April 2023 in den Räumlichkeiten des Einberufungsbüros statt, und junge Einwohner der Region (in den staatlich kontrollierten Medien als Personen im wehrpflichtigen Alter bezeichnet) wurden zusammen mit ihren Eltern zur Verhandlung geladen. Der Angeklagte wurde für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe in Höhe von 70 Grundbeträgen (2590 belarusische Rubel oder etwa 760 Euro) verurteilt.
Es ist schwer zu sagen, welche Auswirkungen diese ganze Geschichte wirklich hat. Sicherlich könnten einige der künftigen Wehrpflichtigen oder ihre Eltern beschlossen haben, dass es sicherer ist, sich zu verstecken und den Einberufungsbescheid des Einberufungsamtes um jeden Preis zu vermeiden. Einige mögen gedacht haben, dass es sinnlos ist, gegen den Staat zu kämpfen. Andere wiederum sind zu dem Schluss gekommen, dass es eine gute Möglichkeit ist, sich von der Armee freizukaufen. Man zahlt 2.590 Rubel, erhält ein lächerliches „Strafregister“ und wird dann von der Wehrpflicht befreit. Im heutigen Belarus mit seiner alltäglichen Absurdität scheint dies eine ziemlich gute Option zu sein.
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