Belarussen, Litauer und Ukrainer haben die verheerenden Folgen radioaktiver Verseuchung am eigenen Leib erfahren. Am 26. April 1986 setzte die Explosion im Kernkraftwerk Tschernobyl eine katastrophale Welle von Strahlung frei, die Tausende von Kilometern Land und Wasserwege verseuchte. Belarus war dabei überproportional betroffen: Etwa 70 % des radioaktiven Niederschlags gingen auf belarussischem Gebiet nieder, wodurch fast ein Viertel des Landes kontaminiert wurde.
Mehr als zwei Millionen Menschen, darunter eine halbe Million Kinder, waren extrem hohen Strahlendosen ausgesetzt. Fast vier Jahrzehnte später sind die Spuren dieser Katastrophe in Südbelarus noch immer sichtbar: Weite Gebiete bleiben verseucht, über 400 Dörfer stehen verlassen als Geisterstädte, und mehrere Generationen leiden weiterhin unter Krankheiten, die direkt auf die Strahlenexposition zurückzuführen sind – darunter Schilddrüsenkrebs, Leukämie und schwere Geburtsfehler.
Wer den Schrecken von Tschernobyl erlebt hat, weiß, was es bedeutet, unter einer unsichtbaren, ständigen Bedrohung zu leben – wenn selbst die Luft, die wir atmen, und der Wind, der weht, tödlich sein können. Für die Menschen in unserer Region ist Klimagerechtigkeit untrennbar mit nuklearer Sicherheit verbunden. Schließlich sind Umweltkatastrophen und nukleare Desaster untrennbar miteinander verwoben. Es ist unmöglich, ernsthaft über eine nachhaltige und sichere Zukunft zu sprechen, solange nukleare Bedrohungen nicht beseitigt sind.
Doch heute stehen wir vor einer beunruhigenden neuen Entwicklung: der Stationierung von Atomwaffen in Belarus. Erstmals seit dem Kalten Krieg sollen nukleare Sprengköpfe wieder auf belarussischem Boden stationiert werden – unter dem Vorwand angeblicher „Sicherheitsgarantien“. Dies ist eine zynische Verdrehung der Realität. Die Wahrheit ist weitaus bedrohlicher: Die bloße Anwesenheit von Atomwaffen macht unser Zuhause zu einem unmittelbaren Ziel und erhöht unsere Verwundbarkeit, anstatt Sicherheit zu schaffen. Militärexperten warnen unmissverständlich, dass im Falle eines Konflikts nukleare Lagerstätten zu primären Angriffszielen werden würden – mit verheerenden Folgen für die gesamte Region. Selbst eine kleine Fehleinschätzung, ein Unfall oder ein Sabotageakt könnte unser Land über Nacht in eine radioaktive Wüste verwandeln.
Die Folgen einer einzigen nuklearen Detonation sind erschreckend. Ein taktischer Atomschlag würde sofortige Verwüstung verursachen – brennende Feuer, massenhaftes Sterben und eine unkontrollierbare Ausbreitung von Radioaktivität über Ländergrenzen hinweg. Flüsse, Seen, Wälder und Agrarflächen würden vergiftet. Dies würde nicht nur eine akute menschliche Tragödie bedeuten, sondern auch eine langfristige ökologische Katastrophe. Fruchtbare Böden würden unfruchtbar, Wasserquellen für Jahrzehnte, möglicherweise Jahrhunderte, toxisch. Nachhaltigkeit und Klimaanpassung würden bedeutungslos – es gäbe schlicht keine intakte Umwelt mehr, die geschützt oder bewahrt werden könnte.
Die Bedrohung geht jedoch über die unmittelbare Umweltzerstörung hinaus. Die Eskalation nuklearer Spannungen untergräbt die globale Stabilität und die Friedensbemühungen massiv. Internationale Spannungen verschärfen sich, mühsam über Jahrzehnte ausgehandelte Abrüstungsverträge zerfallen. Doch gerade Vertrauen und Frieden zwischen den Staaten sind essenziell, um drängende globale Probleme wie den Klimawandel anzugehen. Solange Regierungen in Rüstungswettläufen und militärischem Säbelrasseln gefangen sind, fehlen die Ressourcen für ökologische Innovationen und nachhaltige Lösungen.
Eines muss betont werden: Das belarussische Volk hat diese „nukleare Schutzmaßnahme“ niemals gewollt. Unabhängige Umfragen zeigen eindeutig, dass fast 80 % der städtischen Bevölkerung in Belarus die Stationierung von Atomwaffen in ihrem Land strikt ablehnen. Die Bürger wollen nicht in permanenter Angst vor einer nuklearen Katastrophe leben. Sie fordern – und verdienen – eine Zukunft ohne Furcht. Als Umwelt- und Klimaschützer sowie als Verteidiger der Menschenrechte müssen wir uns uneingeschränkt mit dieser Forderung solidarisieren: Belarus muss atomwaffenfrei bleiben – wie es sich bereits in den 1990er Jahren dazu verpflichtet hatte. Jeder Schritt in Richtung nuklearer Militarisierung muss von Umweltbewegungen und Menschenrechtsorganisationen weltweit mit aller Entschlossenheit bekämpft werden.
Welche Maßnahmen können wir jetzt ergreifen? Unsere Botschaft muss unmissverständlich lauten: „Unser Klima braucht keinen nuklearen Winter!“ Wir müssen gemeinsam darauf drängen, dass die Weltgemeinschaft unverzüglich zu ernsthaften Abrüstungsverhandlungen zurückkehrt. Globale Kampagnen – von UN-geführten Initiativen bis hin zu einflussreichen Bewegungen wie der International Campaign to Abolish Nuclear Weapons (ICAN) – verdienen unsere uneingeschränkte Unterstützung. Wir müssen eine klare, unumstößliche Wahrheit verbreiten: Jede nukleare Sprengladung in unserer Nähe bedroht die globale Klimasicherheit, denn ein einziger falscher Schritt oder eine unüberlegte Entscheidung könnte eine unumkehrbare Umweltkatastrophe auslösen.
Wissenschaftler warnen immer wieder: Schon ein begrenzter Nuklearkrieg könnte einen globalen „nuklearen Winter“ auslösen – mit drastischer Abkühlung des Planeten, katastrophalen Ernteausfällen und weltweiter Hungersnot, die Milliarden von Menschen betreffen würde. Sind wir wirklich bereit, ein weltweites Einfrieren unter einer radioaktiven Aschewolke zu riskieren, während wir gleichzeitig gegen die Erderwärmung kämpfen?
Die einzig klare und entschlossene Antwort darauf muss eine vollständige nukleare Abrüstung zum Schutz des Lebens sein. Eine friedliche, atomwaffenfreie Region ist die Grundlage für eine nachhaltige, lebenswerte Zukunft. Anstatt mit atomarer Vernichtung zu spielen, sollten wir unsere Energien in grüne Technologien, Umweltbildung, ein funktionierendes Gesundheitssystem und echte Friedensinitiativen investieren – all jene sinnvollen Maßnahmen, die die Menschheit wirklich schützen und sichere, gesunde und florierende Gesellschaften gewährleisten.
Credits: TASS/Vladimir Repik, Igor Kostin, Valery Zufarov