Mündliche Erklärung gegenüber dem Sonderberichterstatter für die Menschenrechte von Migrant*innen

UN-Menschenrechtsrat, 56. Sitzung

von WRI und Connection e.V.

Am Morgen des 26. Juni 2024 fand in Genf anlässlich der 56. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates der Abschluss des interaktiven Dialogs mit dem Sonderberichterstatter für die Menschenrechte von Migrant*innen statt. Connection e.V. ergriff in Zusammenarbeit mit der War Resisters’ International (WRI) das Wort, um die negativen Asylbescheide von Kriegsdienstverweiger*innen anzusprechen und die Mitglieder des Menschenrechtsrates aufzufordern, Kriegsdienstverweiger*innen, deren Menschenrechte in ihrem Herkunftsland verletzt werden, zu schützen.

Statement as pdf-file

Herr Präsident!

War Resisters International (WRI) dankt dem Sonderberichterstatter für seinen Bericht [1] und dafür, dass er klar und deutlich daran erinnert, dass „Migrant*innen Träger von Rechten sind“ und dass der internationale Menschenrechtsrahmen für sie gilt, unabhängig von ihrem Status [2].

Wir schließen uns der Besorgnis des Sonderberichterstatters an, dass die Erzählungen „über Migrant*innen in irregulären Situationen und Asylsuchende feindselig geworden sind“ [3] und dass Geflüchtete oftmals Rechtsunsicherheiten ausgesetzt sind [4].

Diese Menschen befinden sich sehr oft in einem Zustand großer Verletzlichkeit, der ihre Sicherheit und Würde beeinträchtigt.

Wie Nash Dom („Unser Haus“) berichtet, ist die Zahl der abgelehnten Asylanträge von Belaruss*innen in Litauen seit 2022 um das 6,5-fache gestiegen [5]. [Diejenigen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, befinden sich in einem rechtlichen Zustand der Illegalität und haben keinen Zugang zur medizinischen Versorgung und anderen Grundrechten.] Einige dieser Fälle betreffen Kriegsdienstverweiger*innen und Deserteur*innen wie Vitali Dvarashin und Nikita Svirid, den Journalisten Aleh Barshcheuski [dessen Prüfung für eine befristete Aufenthaltsgenehmigung gerade ausgesetzt wurde][6] und seine Frau Olga Karatch, eine Menschenrechtsaktivistin, deren befristete Aufenthaltsgenehmigung am 23. August abläuft. Ihnen allen wurde das Asyl verweigert und sie sind von der Abschiebung nach Belarus bedroht.

In Deutschland wurde russischen Kriegsdienstverweiger*innen [7] – wie Nikolai Goriachev am 9. Februar – Asyl mit der Begründung verweigert, es bestehe keine „beachtlich wahrscheinliche“ Gefahr, wenn sie in ihr Herkunftsland zurückkehren. Dies entspricht nicht der tatsächlichen Berichterstattung vor Ort, wie auch im Jahresbericht des Europäischen Büros für Kriegsdienstverweigerung [8] hervorgehoben wird.

Kriegsdienstverweiger*innen haben Anspruch auf einen Flüchtlingsstatus, wenn sie in ihrem Herkunftsland von Verfolgung bedroht sind, wie der UNHCR [9] erklärt.

Die WRI fordert gemeinsam mit ihrer Partnerorganisation Connection e.V. den Rat auf, sicherzustellen, dass diejenigen, deren Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung in ihrem Herkunftsland verletzt wird, Asyl und Schutz erhalten.

Wir fordern die europäischen Länder auf, die in der betreffenden EU-Richtlinie [10]enthaltene Risikobewertung im Einklang mit der Flüchtlingskonvention zu berücksichtigen [die naturgemäß eine weite Auslegung fördert [11], um sicherzustellen, dass denjenigen, die von Verfolgung bedroht sind, internationaler Schutz gewährt wird] [12].

Vielen Dank.

 

 

[1] https://documents.un.org/doc/undoc/gen/g24/069/76/pdf/g2406976.pdf

[2] A/HRC/56/54, Paragraf 49.

[3] A/HRC/56/54, Paragraf 113.

[4] Ebenda, Abs. 62: „Flüchtlinge sind häufig mit Rechtsunsicherheiten konfrontiert, die auf Gesetze und Verwaltungsverfahren zurückzuführen sind, welche die Erlangung des regulären Status verzögern oder erschweren.“

[5] von 8,33% (August 2022) auf 76,19% (März 2024)

[6] „Gemäß Artikel 33 Absatz 5 des Gesetzes der Republik Litauen „Über die Rechtsstellung von Ausländern“ wird die Frist für die Prüfung des Antrags auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis ausgesetzt.“

[7] So entschied das Verwaltungsgericht Berlin am 24. November 2023: „Die Kammer ist nach Auswertung der vorliegenden Erkenntnisse […] davon überzeugt, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht beachtlich wahrscheinlich ist, dass der Kläger in absehbarer Zeit gegen seinen Willen in die russische Armee einberufen bzw. eingezogen und an die Front in der Ukraine entsandt werden wird […] Die Kammer ist davon überzeugt, dass bis auf Weiteres den politischen Vorgaben des Kreml zufolge die (Zwangs-)Mobilisierungskampagne vom September 2022 weder offen noch verdeckt fortgeführt wird und derzeit auch keine belastbaren Hinweise auf eine in absehbarer Zukunft konkret bevorstehende Anordnung einer weiteren Teil-oder gar Generalmobilmachung vorliegen.“

[8] https://ebco-beoc.org/sites/ebco-beoc.org/files/2024-05-15-EBCO_Annual_Report_2023-24.pdf

[9] UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz Nr. 10: Ansprüche auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Zusammenhang mit dem Militärdienst im Rahmen von Artikel 1A(2) des Abkommens von 1951 und/oder des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge; https://www.unhcr.org/sites/default/files/legacy-pdf/529efd2e9.pdf

[10] Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes; https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=celex%3A32011L0095

[11] „Die Flüchtlingskonvention definiert nicht, was Verfolgung ist, denn: Es ist unmöglich, im Voraus alle Formen der Misshandlung aufzuzählen, die eine Person legitimerweise dazu berechtigen könnten, internationalen Schutz in Anspruch zu nehmen.“

Najmah Ali (2021) Verweigerung des Militärdienstes und Bestimmung des Flüchtlingsstatus (Quaker United Nations Office, Genf), S. 6; https://quno.org/sites/default/files/timeline/files/2021/QUNO%20-%20Conscientious%20Objection%20to%20Military%20Service%20and%20Refugee%20Status%20Determination_14_05.pdf

[12] Ebenda, S. 7.

Connection e.V. & War Resisters’ International: Mündliche Erklärung gegenüber dem Sonderberichterstatter für die Menschenrechte von Migrant*innen, 56. Sitzung des UN-Menschenrechtsrats, 26. Juni 2024.