Die Ostsee ist unser gemeinsamer, unschätzbar wertvoller Raum – ein geschlossenes und empfindliches Ökosystem, in dem die Interessen vieler Nationen aufeinandertreffen. Jeder Konflikt hinterlässt Spuren in seiner Umwelt, aber auch das Gegenteil ist wahr: Kooperation beim Schutz der Ostsee kann eine Brücke zum Frieden sein.

Die Ostsee in der Krise: Umweltverschmutzung und Klimawandel

Heute leidet die Ostsee unter Verschmutzung und den Folgen des Klimawandels. Ihre Gewässer erwärmen sich und stören marine Ökosysteme. Überfischung hat die Bestände großer Raubfische dezimiert. Auf dem Meeresboden und entlang der Küsten liegen noch immer Überreste vergangener Kriege – Bomben, giftige Abfälle und versenkte Munition. Während des Kalten Krieges wurde die Ostsee als „Meer des Friedens“ bezeichnet, und es gab Vorschläge, sie zur atomwaffenfreien Zone zu erklären. Heute müssen wir diese Idee auf einer neuen Ebene wiederbeleben: Die Ostsee soll ein Modell dafür werden, wie Konflikte beiseitegelegt und ökologische Herausforderungen gemeinsam angegangen werden können.

Kann jeder Krieg direkt mit jeder Umweltkatastrophe in Verbindung gebracht werden? Nicht immer in direkter Weise. Aber eines ist klar: Wenn Menschen kämpfen, kümmern sie sich nicht um Kläranlagen. Wenn Raketen fliegen, sortiert niemand seinen Müll. Krieg lenkt Ressourcen und Aufmerksamkeit ab – genau das, was für den Schutz der Natur dringend benötigt wird.

Budgets und Prioritäten: Ein Aufruf zur Veränderung

Betrachten wir die nationalen Haushalte: NATO-Mitglieder sind verpflichtet, 2 % ihres BIP für Verteidigung auszugeben. Russland erhöht seine Militärausgaben. Doch wie viel wird für den Umweltschutz bereitgestellt? Vergleichsweise wenig.

Jeder produzierte Panzer bedeutet ein Klärwerk weniger. Jeder finanzierte Kampfjet bedeutet ein unterfinanziertes Klimaschutzprojekt. Ist das ein fairer Kompromiss? Als Bürger müssen wir eine Neuausrichtung der Prioritäten fordern.

Die Ostseeregion könnte ein Modell für Abrüstung im Namen des Umweltschutzes werden. Staaten könnten sich darauf einigen, Militärübungen in weiten Meeresgebieten zu verbieten, Manöver während der Laichzeit von Fischen zu untersagen und Geschwindigkeitsbeschränkungen für Schiffe in Schutzgebieten einzuführen, um die Lärmbelastung für Meereslebewesen zu reduzieren.

Manche mögen diese Ideen als unrealistisch abtun – doch einst schien auch das Verbot chemischer Umweltverschmutzung utopisch, und heute gibt es die Helsinki-Konvention. Zusammenarbeit existiert bereits – warum sie nicht ausweiten?

Am Ende stehen wir alle vor derselben existenziellen Bedrohung: der Klimakrise. Raketen können sie nicht aufhalten. Nur durch Abrüstung und Zusammenarbeit können wir überleben.

Von Worten zu Taten: Ein gemeinsamer Weg zu Lösungen

Welche konkreten Schritte können wir unternehmen? Hier ist ein Manifest für Umweltschützer und Aktivisten in Belarus, dem Baltikum und darüber hinaus. Diese Herausforderungen sind universell – und unsere Antwort darauf muss es auch sein.

  1. Schutz der Flüsse und Ökosysteme

Wir müssen uns gegen Projekte stellen, die natürliche Ökosysteme für kurzfristige wirtschaftliche Gewinne zerstören. Ein Beispiel ist der geplante Ausbau des Flusses Neris – dieses Vorhaben muss gestoppt werden. Wissenschaftler und NGOs, die sich für den Erhalt des Flusses einsetzen, verdienen unsere Unterstützung. Stattdessen sollten alternative Transportlösungen wie Bahn- oder Elektrotransporte gefördert werden.

Umweltfonds wie Natura 2000 sollten tatsächlich für den Naturschutz und nicht für Militarisierung genutzt werden. Grundsätzlich müssen wir jedes Schutzgebiet – von Białowieża bis zur Kurischen Nehrung – gegen militärische und kommerzielle Eingriffe verteidigen.

  1. Eine atomwaffenfreie und strahlungssichere Region

Eine Kampagne gegen die Stationierung von Atomwaffen in Belarus ist entscheidend. Die Öffentlichkeit muss informiert, internationale Organisationen einbezogen und globaler Widerstand mobilisiert werden.

Zudem müssen wir für mehr Transparenz und Sicherheitsmaßnahmen am Atomkraftwerk Ostrowez eintreten. Internationale Überwachung und Rechenschaftspflicht sind notwendig. Bis Sicherheitsbedenken vollständig ausgeräumt und eine verantwortungsvolle Entsorgung nuklearer Abfälle gewährleistet ist, sollte ein Moratorium für neue Atomkraftwerke in der Region verhängt werden.

Stattdessen sollten wir gemeinsame erneuerbare Energieprojekte fördern. Warum investiert die EU nicht in Windparks in Belarus, anstatt die Atomenergie weiter auszubauen? Nachhaltige Energie schafft Sicherheit, Atomkraft birgt Risiken.

  1. Abrüstung und Dekarbonisierung im Namen des Klimas

Militärische Emissionen müssen in nationale Klimapläne aufgenommen werden. Jede Nation sollte jede verbrannte Liter Kerosin ihrer Militärflugzeuge erfassen und offenlegen.

Verteidigungsbudgets müssen reduziert und Gelder in Klimaanpassung und eine grüne Wirtschaft umgeleitet werden. Weniger Panzer – mehr Elektrobusse. Weniger Raketen – mehr Windkraftanlagen.

Das muss der Aufruf sowohl von Pazifisten als auch von Klimaschützern sein. Unser Überleben hängt davon ab. Durch organisierte Aktionen, Aufklärungskampagnen und öffentliche Bewusstseinsbildung können wir den nötigen politischen Druck erzeugen, um die Prioritäten zu verschieben.

  1. Eine saubere Ostsee: Eine gemeinsame Verantwortung

Ein regionaler Dialog über ein gemeinsames Ostsee-Säuberungsprogramm muss angestoßen werden. Diese Initiative sollte umfassen:

  • Sichere Entfernung oder Neutralisierung versenkter chemischer Waffen und Munition.
  • Reduzierung von Abwässern und landwirtschaftlichen Einträgen, um die Eutrophierung zu bekämpfen.
  • Schaffung grenzüberschreitender Meeresschutzgebiete, in denen militärische Aktivitäten untersagt und industrielle Fischerei eingeschränkt sind, um Ökosysteme zu regenerieren.

Regierungen müssen Umweltkooperation über politische Streitigkeiten stellen. Jacques Cousteau sagte einmal: „Wir sitzen alle im selben Boot.“ Wenn die Ostsee stirbt, gibt es keine Gewinner – nur Länder, die verlieren.

  1. Solidarität und Bildung

Umwelt- und Friedensbewegungen müssen sich vereinen. Zum Glück sind die heutigen jungen Generationen in beiden Bereichen aktiv – bei Klimamärschen gibt es oft auch Antikriegs-Slogans, und bei Friedenskundgebungen wird auf Umweltzerstörung hingewiesen.

Diese Verbindung muss gestärkt werden. Wir sollten gemeinsame Foren zu „Klima und Frieden“ organisieren, Wissen austauschen und Bildung über die Zusammenhänge zwischen militärischen Konflikten und ökologischen Krisen fördern.

Schulen und Universitäten sollten lehren, dass Frieden die Grundlage ökologischen Wohlstands ist – genauso wie Umweltbewusstsein die Basis für Frieden bildet.

Fazit: Eine Zukunft durch Zusammenarbeit

Die Ostsee ist mehr als nur ein Gewässer. Sie ist ein gemeinsames Ökosystem, ein historischer Knotenpunkt und ein potenzielles Symbol für Zusammenarbeit. Anstatt Konflikten zu erlauben, ihr Schicksal zu bestimmen, müssen wir die Gelegenheit nutzen, sie zu einem Modell für Umweltschutz und Frieden zu machen.

Lassen wir nicht zu, dass Militarisierung und geopolitische Spannungen unsere Zukunft bestimmen. Fordern wir Rechenschaft von Regierungen, setzen wir uns für nachhaltige statt militärische Politik ein und ergreifen wir Maßnahmen für eine sauberere, sicherere und kooperativere Ostseeregion.

Die Zukunft des Meeres – und unseres Planeten – hängt von den Entscheidungen ab, die wir heute treffen.